
Horst, eigentlich Horst und Inge
Nach meinem Schulabschluß stand für mich fest, ich werde mich mit Chemie beschäftigen. Also bewarb ich mich für einen Praktikantenplatz bei der Firma Hoffman La Roche in Grenzach, den ich auch bekam. Nun war Grenzach aber eine ganzes Stück weit weg vom Hause meiner Eltern in Binzen, wo ich damals lebte. Aber es gab eine kleine Privatbahn, die nur die Strecke Kandern Haltingen bediente und die noch von einer richtigen Dampflokomotive gezogen wurde. Die Wagen hatte eine Plattform, über die man in den Waggon einstieg, mit halbhohen Türen und Holzbänken. Diese Bahn mußte ich als erstes benutzen, dann in Haltingen umsteigen in die Bundesbahn nach Basel zum Badischen Bahnhof. Dieser ist eine Besonderheit, quasi deutsches Gebiet mitten in Basel, Schweiz und durch irgendwelche internationale Verträge gesichert. Dort mußte ich erneut den Zug wechseln und so bis Grenzach zu gelangen, kurzer Fußmarsch und ich war in der Firma La Roche. Es schildert sich so leicht, aber es war keinesfalls bequem und dauerte fast zwei Stunden. Aber ich hatte immer Bücher dabei und man konnte im Zug lesen und durfte in diesen einsteigen, auch wenn er erst später losfuhr. Diese Zeit hat mein Wissen auf allen Gebieten enorm befruchtet, selbst Belletristik gehörte dazu. Die Firma Hoffmann La Roche hatte eine sehr große Leihbibliothek, die den Mitarbeitern kostenlos zur Verfügung stand und ich machte davon reichlich Gebrauch. Ich denke oft an diese Zeit zurück, wenn ich heute irgendwo Bahn oder Bus fahre und alle Leute Stöpsel in den Ohren haben und ein Smartphon angeschloßen. Ich vermute, daß die meisten der Ohrstöpselleute nur eine geringe Allgemeinbildung haben, vermutlich alles wissen über Musikgruppen aber wenig oder nichts über Belletristik oder über Wissen außerhalb ihres Fachgebietes verfügen.
Nach dieser Zeit bei Hoffman La Roche besuchte in die Technikerschule Fresenius in Wiesbaden und lernte meine Kommillitonen kennen. Manche intensiver, manche oberflächlich. Und schon damals war einer meiner Freunde Horst. Er wohnte in einem Örtchen nahe Wiesbaden noch zu Hause, wo wir uns gelegentlich am Wochenende trafen und Apfelwein tranken oder im nahegelegenen Baggersee schwammen. Das Studium ging zu Ende und alle verstreuten sich zu den Arbeitsplätzen , die sie fanden. Aber mit einigen blieb der Kontakt erhalten, Horst, der andere Horst, Werner und Edgar. Mein Horst hatte schon bald eine Inge dabei und ich eine Gerti, die anderen waren noch Solo, als wir uns in den folgenden Jahren an Ostern zum Wandern trafen. Im Schwarzwald, in den Vogesen im Pfälzer Wald. Aber der Kontakt zu Horst und Inge blieb, auch wenn man sich nur noch sehr selten traf. Horst heiratete seine Inge in Österreich, Werner und ich waren bei seiner Hochzeit , und er ist immer noch mit seiner Inge verheiratet. Ich heiratete meine Gerti, aber wir sind seit vielen Jahren geschieden, auch wenn wir immer noch einen guten Kontakt zueinander haben.
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Die berufliche Seite trennte uns, Horst arbeitete für verschiedene Firmen, war lange in der Schweiz, ich machte mich selbständig und war immer sehr beschäftigt. Aber ganz aus den Augen verloren wir uns nie. Horst und Inge verließen Deutschland nach der Pensionierung, verkauften ihr Haus nahe Frankfurt und zogen in das Elternhaus von Inge im Innviertel in Österreich. Ich war derzeit noch in China und besuchte die Beiden während eines Europaaufenthaltes in Aspach. Und dann ergab sich eine unerwartete Situation. Ich kehrte von China nach Europa zurück und übernahm die Geschäftsführung von schwa-medico Österreich mit Sitz in Braunau und mietete ein Haus nicht weit entfernt von Aspach. Leider war mein Freund Horst mit Inge inzwischen an den Chiemsee gezogen. So haben wir uns verpasst um ein Jahr, aber die Distanz ist trotzdem klein geworden, es sind von Haus zu Haus nur 90 km Landstraße allerdings, aber wir besuchen uns gegenseitig nun häufiger. Der Schmelz und die Ungeduld der Jungend ist gewichen und wir genießen unsere Zeit, die uns noch bleibt, klagen über unsere Gebrechen und gehen noch manchmal Ski fahren zusammen. So klapperig sind wir offensichtlich doch noch nicht.