
Letzte Ruhestätte

Was ist Asche? Kein biologsicher Kreislauf, man verbrennt doch immer etwas, was man los sein will. Trockene Zweige im Garten oder ein Blatt Papier, dessen Inhalt man vernichten will. Und Asche, ist die überhaupt vom Toten? Ein Gemisch von Holzasche und Knochenasche? Metalle tropfen duch die Asche im Krematorium hindurch, werden gesammelt und weiterverkauft - das Gold aus den Zähnen zum Beispiel. In Deutschland muß die Asche beerdigt werden - warum eigentlich , ist ja keine DNA mehr, vermutlich geruchlos, steril sicherlich. In anderen Ländern, zum Beispiel in Österrreich kann man die Asche im eigenen Haus aufbewahren.
Also soll aus mir keine Asche werden - wenn möglich, sondern der natürlich Prozess der Rückführung zur Erde soll mir widerfahren. Hier bin ich ausnahmweise mit der Kirche einig: Aus Erde bist Du entstanden, zu Erde sollst Du wieder werden.
Und wo soll das mal sein, wenn es denn sein soll?
Es gibt im Dorf, in dem ich aufgewachen bin das Grab meiner Eltern, ein Familiengrab, das für eine bestimme Ruhezeit gemietet ist. Diese habe ich nun um einiges verlängert, gegen gutes Geld wohlgemerkt. Der Tod ist nicht nur für die Bestatter, sondern auch für die Gemeinden und Städte ein Geschäft und die Grabpflege ebenfalls, aber auch das habe ich im Voraus geregelt. Wie ist das Motto der Pfadfinder: Allzeit bereit.
Es wird ruhig um mich herum. Die Gräber rundum das Familiengrab meiner Eltern sind abgeräumt. Ruhezeit vorbei heißt das, aber ich habe verlängert, meinen Platz reserviert, was in Coronazeiten sicherlich näher liegt, als zuvor.
Aber wer soll mal meine Ruhestätte pflegen später und die vielen Jahre, die meine Gebeine vor sich hin rotten? Meine Cousine, die das Grab bisher gepflegt hat, ist auch schon über 80. Ihrem Sohn ist das nicht zuzumuten. Ich habe eine Lösung gefunden, denn in einer Urne, die in einer Wand eingemauert werden kann, will ich nicht sein. Ich meine, in der Asche ist man auch nicht drin. Die könnte man genau so gut in der Abfalltonne entsorgen. Ein Köper in seiner Ganzheit wird langsam der Natur zurückgegeben, das ist ein biologsicher Kreislauf und in den möchte ich integriert werden.
So habe ich mit dem Verband der Badischen Friedhofsgärtner einen Vertrag abgeschloßen, der die Pflege übernimmt. Gegen Vorkasse versteht sich und auch die Gemeinde in Binzen hat sich die Miete für die 4 Quadratmeter in Voraus bezahlen lassen. Sicher ist sicher, das kann ich verstehen. Und ich denke, der Platz um mich herum wird sich auch wiederfüllen, so liege ich dann nicht so alleine herum.
Sollte man sich darum Gedanken machen, sich zu Lebzeiten damit beschäftigen? Bringt das vielleicht Unglück im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung? In China, wo ich 12 Jahre gelebt habe, würde man solche Gedanken nicht laut werden lassen, man darf dort nicht mal das Wort für Sarg aussprechen. Aber ich sehe dem entspannt entgegen. Mit steigendem Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit daß man stirbt, bis es dann keine Wahrscheinlichkeit mehr ist.
Ich finde es sinnvoll sich nicht nur Gedanken darum zu machen, sondern auch konkrete Regelungen der Nachwelt vorzugeben, wobei man sich im Klaren darüber sein muß, daß dies nur Wünsche sein können, die Umstände können sich ändern. So kann man sich hier in Europa noch eine Erdbestattung wünschen, was auch meinen Vorstellungen entspricht, in China ist dies nicht mehr möglich und wird vielleicht auch hierzulande irgendwann nicht mehr mögich sein.
Ich war in den letzten Jahren, mit steigendem Lebensalter ist das eine Zwangsfolge, bei verschiedenen Beerdigungen von ferneren und nahen Angehörigen oder Bekannten. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, wo die letzten Zeremonien durchaus unterschiedlich waren. Es gab dabei Urnenbestattungen und Erdbestattungen. Aber immer fühlte ich eine tiefe Ergriffenheit nur dann, wenn der Sarg, egal ob in der Kirche oder auf einem Friedhof, die Leiche enthielt. Auch ein Abschied nehmen an einem offenen Sarg ist ein sehr bewegender Moment. Aber wann ich auch immer vor einer Urne stand, konnte ich mich nicht mehr dem Toten nahe fühlen und eine Mauer baute sich auf, zwischen der Asche des Verstorbenen und mir.
Ähnlich , wenn auch in abgeschwächter Form, fühle ich den Unterschied in mir, wenn ich allein auf einem Friedhof vor den Gräbern Bekannter, Freunde oder Familienmitglieder stehe, die dort physich liegen, oder eben was noch von ihnen vorhanden sein mag, und wenn ich vor einer Urnenwand stehe , die Inschriften lese , oder eine kleine runde Steinplatte betrachte, unter der die Asche meines Freundes Rudolf sein soll.
