
Weggabelung
Davon gibt es in jedem Leben viele, aber rückblickend, und da meine ich nicht kurfristige Retroschauen mit den : Hätte ich doch oder den warum habe ich nicht, sondern das Graben in der Vergangenheit, die Analyse von Situationen, die in der damals aktuellen Präsenz nicht erkennbar waren. Die sich erst in der kühlen Betrachtung und mit dem Abstand von Jahren als Weggabelungen erkennen lassen und das gesamte weitere Geschehen oder Leben in eine Richtung dirigierten. Dabei gibt es vermutlich Gabelungen, wo man , in diesem Fall ich , den "falschen" Weg, die nicht zum Erfolg, was auch immer man als den Erfolg postulierte, führende Seite eingschlagen hat. Aber es ist wie so manches in unserem Gehirn, daß sich positives verewigt, negatives dagegen verblasst bis verschwindet.
Solche, alles verändernde Situationen können in der Sache liegen, aber auch in persöhnlicher Weise das Leben in eine bestimmte Richtung lenken. Ich möchte hier über eine sachliche, mein gesamtes berufliches Leben bestimmende Weggabelung schreiben, wo ich die richtige Abzweigung gegangen bin.
Meine Firma beschäftigte sich zunehmend mit Geräten , die in der Schmerztherapie Verwendung fanden. Waren das am Anfang überwiegend oder ausschließlich die Akupunkturgerätschaften und die dazu passenden Akupunkturnadeln, dann kam die Überleitung zu den Nadelstimulatoren für eingestochene Akupunkturnadeln und dann die Elektrostimulatoren, deren Applikation keine Nadeln, sondern leitfähige Pads erforderten, die später in selbstklebende Elektroden mündeten. Ich spreche hier von der TENS Therapie, die damals noch die TNS Therapie war, die aber schon immer elektrisch betrieben wurde. Wer in die Abkürzung das E für elektrisch einfügte kann ich nicht mehr eruieren.
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Tatsache war, daß diese TNS Therapie in den wenigen Schmerzambulanzen, die es vor 40 Jahren gab, eine immer größere Rolle spielten. Es gab einige große Player, Medtronics- ein US Gigant der Medizintechnik und 3M, dito und ein zwei Minifirmen deutscher Prägung, darunter auch meine schwa-medico GmbH, damals schon mit Sitz in Frankfurt. Ein Änästhesiologe mit seiner Arztehefrau lies sich , von Erlenbach kommend, wo er in der Klinik tätig war, in Frankfurt nieder und gründete eine große Schmerzpraxis in der eben auch die TNS Geräte zum Einsatz kamen, die dann zu Lasten der Krankenkassen verordnet wurden. So betrafen die verschiedensten Kostenträger Verordnungen dieser Geräte, die damals vom Marktführer, der Firma Medtronics zu einem stolzen Preis zum Ankauf angeboten, und bewilligt wurden. Diese Geschäft nahm einen immer größeren Umfang an, wobei dieser im Vergleich zum Jahr 2020 sicherlich winzig war, aber die Kassen waren in kurzer Zeit mit den Kosten für solche Geräte konfrontiert und berieten sich untereinander.
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Es gab in Frankfurt eine lokale Zusammenarbeit aller Krankenkassen -eigentlich eine einmalige Situation , die vermutlich in dieser Form nie wieder zustande kam, obwohl dies doch auf der Hand liegen müsste, sind doch die Leistungen aller Kassen zu einem fast hundert prozentigen Betrag gleich, da gesetzlich vorgeschrieben. Dieser Kassenverband tagte unter Federführung der lokalen AOK in deren Räumen und lud alle TNS Lieferanten getrennt allerdings zu einem Meeting ein, wo Jeder Vorschläge unterbreiten sollte, wie er sich in Zukunft das in Verkehr bringen seiner TNS Geräte vorstellte und vor allem zu welchen Konditonen. Ich saß einer Runde von Kassenvertretern aller in Frankfurt vertretenen Kassen gegenüber unter der Moderation von Herr Och von der AOK, ich erinnere mich nach so vielen Jahren noch gut an seinen Namen und sein Gesicht, und machte meine Vorschläge.
Mein Denken und Handeln war mein ganzes Leben immer von nachhaltigen Überlegungen geprägt, obwohl es diesen Begriff vor mehr als 40 Jahren noch garnicht gab, die Haltung dagegen sehr wohl. So war mein Vorschlag auf so aufgestellt, ich schlug ein Vermietungsmodell vor, einen Probemonat zuerst und erst nach positiver Reaktion des Patienten eine Verschreibung für immer drei Monate. Ich konnte das gut begründen, denn eine kleine Studie in der Praxis Flöter am Roßmarkt ergab, daß die TNS Therapie gut wirksam sei, aber eben nur bei Patienten, die das Gerät auch verschreibungsgemäß in der Heimtherapie verwendeten. Aus welchen Gründen auch immer manche Patienten das nicht taten, sollte das nicht zu Lasten der Kasse länger gehen, als einen Monat. Danach allerdings mußte der Patient alle drei Monate beim Arzt sich bestätigen lassen, daß das Gerät noch verwendet wird, denn nur dann spart die TNS Therapie Kosten auf anderen Gebieten ein.
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Es dauerte ca, 6 Wochen, ich wurde erneut ein- respektive vorgeladen, es wurde noch an ein paar Kleinigkeiten gefeilt, sind die Elektroden in Mietpreis eingeschloßen, wenn ja wieviele Packungen pro Monat und dergleichen, aber mein Vermietungsmodell hatte das Rennen gemacht.
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Zum damaligen Zeitpunkt habe ich mich gefreut, daß ich gegen so gewaltigen Firmen wie den US Giganten mein Modell durchgebracht hatte, aber die Tragweite dieses Sieges konnte ich nicht , auch nicht annähernd erahnen. Das Frankfurter Mietmodell ,wie es schnell hieß, wurde von allen Kassen des Bundesgebietes stillschweigend übernommen, obwohl es eigentlich nur die Frankfurter Kassen band. Das gab uns einen Vorsprung, lange Zeit sogar eine Alleinstellung in den Schmerzambulanzen und den schmerztherapeutischen Einrichtungen und die schwa-medico TNS Geräte traten einen Siegeszug an im ganzen Bundesgebiet und Westberlin, die DDR war damals noch die Ostzone.
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Die Fabrikation von TNS und später TENS Geräten wurde hochgefahren, zunächst in den eigenen Räumen in Daubhausen, später wurde eine kleine Fabrikationshalle dazu gemietet um TENS Geräte in großem Umfang herzustellen, hinzu kamen , beim Anschluß der DDR an die BRD noch eine Fabrikation in Gießen und Laubach und später wurde noch eine Firma in Ungarn gegründet um ebenfalls TENS Geräte herzustellen.
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Der Vertrieb in Deutschland wurde ausgeweitet. Startete ich zu Beginn von Frankfurt aus mit 3 Außendienstmitarbeitern, waren es auf dem Höhepunkt der TENS Zeit über 50 , organisiert in lokalen Vertriebsbüros in fast allen großen deutschen Städten. Das aller erste dieser lokalen Vertriebsbüros entstand in Hamburg im Chile Haus, ein Begriff den alle eingesessenen Hamburger kennen, später verlegt in die Deichstraße, ebenfalls ein sehr traditioneller Ort in Hamburg. Es folgten Büros in Karlsruhe, München, Düsseldorf, Dortmund , Gießen, Hannover, Bremen, Saarbrücken und Berlin, und nach der Wiedervereinigung kamen Dresden, Erfurt und Rostock dazu. Und natürlich blieb das Gründungsbüro in Frankfurt Bornheim die Keimzelle des Ganzen und wichtig, trotz beengter Platzverhältnisse.
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Die TENS Therapie bleibt bis heute eine Säule der schwa-medico, wenn auch die Krankenkassen durch eine unsinnige Preispolitik dieser an sich preisgünstigsten Variante in der Schmerztherapie zwischenzeitlich versuchten den Garaus zu machen. Unrümlich hervor tat sich zuerst die Barmer Ersatzkasse und ich, der jedes Jahr später neu Verträge mit den Kassen aushandeln mußte erinner mich noch sehr gut an das entscheidende Gespräch in Wuppertal, wo ich mit Fallkostenpauschalen konfrontiert wurde. Ich muß daskurz erklären: Die Kasse gibt einen Einmalbetrag vor, zu dem geliefert werden muß für einen endlosen Zeitraum. Ich habe sogleich darauf hingewiesen, daß dann derjenige Lieferant gewinnt, der die schlechtesten Geräte liefert, denn die kommen in kurzer Zeit wegen Unwirksamkeit zurück und er kann diese erneut vermieten. Wer Geräte liefert, und Service dazu, sodaß Patienten lange mit der TENS Therapie zufrieden sind .verliert das Spiel. Die Barmer meinte das kontrollieren zu können, aber leider habe ich Recht behalten und der TENS Markt fiel zu großen Teilen an Glücksritter . Seit zwei Jahren haben die Kassen diese Fehler zu korrigieren begonnen, aber manche seriöse Lieferanten haben die chaotischen Zeiten nicht überlebt oder sich aus dem unrentabel gewordenene Geschäft zurückgezogen. Technisch gesehen ist an der Weiterentwicklung der Geräte in Bezug auf Wirkungsverbeserung ein Stillstand eingetreten, es wurde nur redesignd in Bezug auf Verbilligung der Herstellung.